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Ein Leser ist, wenn er liest, ein Leser seiner selbst.
Das Werk des Schriftstellers ist dabei lediglich eine Art von optischem Instrument, das der Autor dem Leser reicht, damit er erkennen möge, was er in sich selbst vielleicht sonst nicht hätte erschauen können.
[Marcel Proust]








Ich muss gestehen, ich lese nicht zu meinem Vergnügen,
ich suche weder Entspannung noch Ablenkung, noch andere Freuden dieser Art. Ein Buch ist für mich eine Art Schaufel, mit der ich mich umgrabe.
[Martin Walser]








„Alles war gewonnen, alles war verloren, als die Mauer fiel”
[Günter Gaus]

Auch Oswald taumelt durch einen schwerelosen Raum.
Der Fall der Mauer hat für ihn die Trennung nicht aufgehoben, sondern sein Leben in zwei Epochen geteilt. Sein bisheriges Leben gilt aus Sicht der Menschen im Westen nichts mehr. In der Mitte fühlt er sich abgedrängt. Halbzeit, die erste Hälfte verloren, die zweite ungewisse beginnt. Aufbruch oder Abstieg? Arbeitslos, wohnungslos, freundeslos – der Betrieb war sein Zuhause, die Kollegen seine vertrauten Kameraden, auf Arbeit, im Ferienlager. Über Nacht ist plötzlich alles anders. Aus dem schwerelosen Raum stürzt er auf einen unbekannten Planeten, auf dem ihm die Orientierung fehlt.

Ist das die Freiheit, die hier alle gesucht haben?
Zweistromland

Unschärferelation der Gefühle
Statt der Unschärferelation der Quantenmechanik die Unschärferelation der Gefühle.
Sehnsucht und Nähe gibt es nicht gleichzeitig: Entweder man ist weit voneinander entfernt, die Nähe also klein, dann ist die Sehnsucht sehr groß; oder man ist sich nah, die Nähe also ganz groß, dann ist die Sehnsucht ganz klein.

34 Jahre lang war er nicht nah, der Vater seinem Sohn, weit weg, Erichs Sehnsucht nach ihm unendlich groß. Und nun: nah, ganz nah, sein Vater, die Sucht, sich nach ihm zu sehnen, all die Zeit, so viele Jahre − endlich, nun endlich scheint er davon befreit, geheilt.
Erich spürte ihn, er fühlte ihn, er wollte ihn fassen, greifen, umarmen.
Plötzlich:
weg!

Licht des Schattens

vielfältiges Tessin
Schon weit vor seiner Gründung stand das Tessin unter dem Einfluss immerwährender Konfrontationen zwischen zwei Volksgruppen. In zwei geografische Haupträume durch den Berg Monte Ceneri getrennt, kämpften die filoelvetici im nördlichen sopraceneri unter dem Motto liberi e svizzeri für den Verbleib in der helvetischen Eidgenossenschaft, während die filocisalpini im sottoceneri, dem südlichen Teil, den Anschluss an die Cisalpinische Republik propagierten.

Als Zeichen der Anerkennung für Napoleons Vermittlungsbemühungen, dem Atto di Mediazione bei der Gründung des geeinten Tessins im Jahre 1803, entstand das in zwei Farben geteilte Tessiner Wappen. Angeblich lehnten sich die liberalen Anhänger mit dem Rot an die Schweiz an, während der konservative Klerus das Blau der Familienfarbe der Königsdynastie Savoyen in Italien wählte. Auf Weiß als verbindende dritte Farbe verzichtete man bewusst, um nicht allzu sehr der französischen Trikolore Referenz zu erweisen. Insgeheim jedoch, um weiterhin zu polarisieren.

Die innere Geschichte des Kantons blieb auf Jahre eine leidenschaftlich bewegte infolge des Gegensatzes zwischen den Klerikalen und den Liberalen. Der Konflikt der beiden Einwohnergruppen wurde nie aufrichtig behoben und manifestiert sich bis heute im Kantonswappen: gespalten in rot und blau.

Der rot-blaue Boccalino

Selbstporträt des Autors
Jeder Roman ist eine Autobiographie, ein Selbstporträt des Autors zum Zeitpunkt des Schreibens. Anders als aus meinen Erfahrungen heraus kann ich gar nicht schreiben.
[Martin Walser].





Literatur verklärt die Welt
Literatur erklärt die Welt. Aber ich finde, richtiger, besser, schöner muss es heißen: Literatur verklärt die Welt. Denn die Welt ist eine, die verklärt werden muss, weil sie so, wie sie besteht, schwer erträglich wäre.
[Martin Walser]






Nicht ich selbst, meine Figuren
Ich schreibe nicht über mich selbst. Ich drücke mich aus mit Hilfe von Figuren.
[Martin Walser]



Ich liebe alle meine Figuren
Das reine Böse gibt es nicht. Und darum gibt es auch keinen reinen Bösewicht. Ich liebe alle meine Figuren. Ich würde mich nie tagelang, wochenlang, monatelang mit Figuren befassen wollen, die mir unsympathisch sind. Nur Liebe macht produktiv ... dem Schriftsteller müssen alle Figuren sympathisch sein, auch die, die der Leser zu den unsympathischen rechnet.
[Martin Walser]






Denke nicht an Leser
Wenn ich einen Roman schreibe, dann denke ich nicht daran, ob die Leute ihn lesen und warum.
[Martin Walser]






Schreibe nicht für Jemanden
Man schreibt nicht für JEMANDEN, man denkt beim Schreiben nicht an JEMANDEN ... Ich habe mit meinen Figuren zu wirtschaften, nicht mit dem Leser.
[Martin Walser]